Eine Plenumsveranstaltung der DG PuK

Paul F. Lazarsfeld wurde vorgestellt von Wolfgang R. Langenbucher. Paul F(elix) Lazarsfeld (1901-1976) begann seine wissenschaftliche Karriere in Wien um 1930 in einer politischen und wirtschaftlichen Situation, die prekär zu nennen noch beschönigend ist. Aber er begann sie genau in der Rolle, die dann auch nach seiner Emigration/Auswanderung in die USA sein Selbstverständnis und sein Wirken prägte – als institution man. Sein berühmter autobiographischer Essay “Eine Episode…” kreist genau um diese Frage: “Warum konnte eine in Wien entwickelte Organisationsform auch in den Vereinigten Staaten relativ schnell anerkannt und verbreitet” werden? Es war – zur wissenschaftsgeschichtlich richtigen Zeit – ein atlantischer Transfer; der Grazer Soziologiehistoriker Christian Fleck analysierte diese transatlantischen Bereicherungen in einer großen Monographie als die “Erfindung der empirischen Sozialforschung”. Lazarsfeld wurde in diesem Prozess zum wichtigsten Institutionenbauer, zum Gründervater von Sozialwissenschaft als Disziplin, Betrieb und Geschäft.

Der von Stephan Ruß-Mohl vorgestellte Emil Dovifat (1890–1969) war ein Grenzgänger zwischen Journalismus, Zeitungswissenschaft und Politik. Er war der Ansicht, wissenschaftliche Arbeit diene “auch der Vervollkommnung und der Veredelung der Praxis.” Das Fach schaffe die Voraussetzungen für den Praktiker, “die Grösse und Gefährlichkeit des Instruments” zu erkennen, das “ihm später anvertraut sein wird” – so formulierte es Emil Dovifat 1929 in Berlin programmatisch für die damalige Zeitungswissenschaft.
Der Blick auf Dovifat innerhalb des Fachs war lange Zeit verstellt durch seine angebliche, aber letztlich nicht zweifelsfrei zu klärende Verstrickung mit dem NS-Regime. Auch war sein eher normativer “Ansatz” im Zuge der Empirisierung des Fachs in den 60er Jahren unhaltbar geworden. Um so wichtiger ist es womöglich für die Enkel- und Urenkel-Generation, diesen “umtriebigen” Gründervater der Zeitungswissenschaft neu zu entdecken. Er war ein Grenzgänger, der – so sein Biograph Klaus Benedikt – mehrere Leben gelebt hat: als Wissenschaftler, Journalist, Journalismus-Lehrer und Förderer journalistischer Aus- und Weiterbildung, als Medienpolitiker und als Katholik.

Für ihre Erklärungen hat Noelle-Neumann vorhandene Theorien herausgezogen und kreativ weiterentwickelt. Dies trifft geradezu modellhaft auf die Theorie der Schweigespirale zu: Ihre Formulierung wurde durch Probleme mit der Ausschöpfung von Repräsentativbefragungen angeregt, durch Spekulationen von Philosophen und Theorien von Sozialpsychologen angereichert zu einer Theorie, die sie aber nie – wie es Theoretiker der Theoriebildung fordern – zu einem formalen System von Annahmen und Folgerungen verdichtet hat. Trotzdem ist die Theorie der Schweigespirale die einzige sozialwissenschaftliche Theorie der Nachkriegszeit aus Deutschland mit weltweiter Bedeutung.

Niklas Luhmann (1927-1998) repräsentiert eine zentrale Traditionslinie der Kommunikationswissenschaft. Der systemtheoretische Blick hat die Theorieentwicklung der Kommunikationswissenschaft nachhaltig geprägt, so die Theorie des Journalismus und der Öffentlichkeitsarbeit. Das Werk Niklas Luhmanns gilt als überaus hermetisch und scheint keine unmittelbar erkennbaren Anschlussmöglichkeiten für eine kommunikative Praxis im landläufigen Sinne zu bieten. Wie aber hat Luhmann das Verhältnis von Theorie und Praxis gesehen und worin bestehen die analytischen Potentiale eines systemtheoretischen Begriffs des Differenz von Theorie und Praxis? Diese Fragen beantwortete Frank Marcinkowski in seinem Vortrag.

Rezensierte Bücher zum Thema: